Resilienz von Lieferketten stärken

Wie können Unternehmen und die Logistikbranche Lieferketten-Engpässen entgegenwirken? Ein Aus- und Rückblick auf die Entwicklung der Wertschöpfungskette.

Weltweit sehen 89 Prozent der Unternehmen die unterbrochenen Lieferketten als das größte Risiko für das Wirtschaftswachstum in den nächsten eineinhalb Jahren, noch vor den steigenden Rohstoffpreisen und der Energiekrise.1

Auf die Schweiz, mit einer Importquote von rd. 63 Prozent (2022), haben die Lieferketten-Probleme enorme Auswirkungen auf die Einfuhr von Waren.2 In den Häfen stauten sich im vergangenen Jahr vor allem die Importcontainer, weil sie aufgrund mangelnder Frachtkapazitäten, Baustellen im Straßen- und Bahnverkehr, Unwettern, Personalmangel und Streiks nicht weiter transportiert werden konnten.

Insbesondere bei Maschinen und Elektronike, Energieträgern sowie Fahrzeugen ist die Schweiz auf Warenimporte angewiesen.3 Die Schwierigkeiten durch fehlende Vorprodukte und Grundstoffe aus dem Ausland haben die Produktion in Unternehmen bereits verteuert. Hinzu kommen gestiegene Fracht- und Transportkosten, die zusätzlich gestemmt werden müssen. Die Erträge sinken.

Geopolitische Herausforderungen und ihre Auswirkungen auf die globalen Lieferketten

Die Liste der derzeitigen geopolitischen Herausforderungen ist lang: Lockdowns aufgrund der Pandemie, der Krieg in der Ukraine und Israel, Streiks in der Logistikbranche und Naturkatastrophen wie das tragische Erdbeben in der Türkei und Syrien lassen die bereits sehr angespannten Lieferketten reißen. Die Störungen in den globalen Warenströmen aufgrund der engen und teilweise unflexiblen Verflechtungen in Hinblick auf Transportmittel, -wege und Lieferanten stellen die Logistikbranche und Unternehmen vor große Herausforderungen. Neben Lieferengpässen und steigenden Kosten lassen sich damit auch die gesamten Lieferprozesse kaum noch verlässlich planen.

Als Versandpartner von B2B-Unternehmen und Teil der Lieferkette beschäftigen wir uns vor allem mit folgenden Fragen: Was sind die größten Herausforderungen für die Logistikbranche? Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen auf die Lieferketten-Probleme reagieren, um sowohl regionale als auch überregionale Versorgungsketten zu sichern? Welche Rolle spielen KEP-Dienstleister für eine schnelle und zuverlässige Lieferung? Wie kann die digitale Transformation zur Sicherung der Lieferketten beitragen?

Transportmanagement: Logistikbranche leidet unter Kapazitätsengpässen und Preisdruck

Die Logistik hält die Wirtschaft am Laufen. Denn steht die Logistik still, steht die Wirtschaft still. Ein Stillstand hat enorme Auswirkungen sowohl auf den Logistiksektor als auch auf Unternehmen. Ohne Logistik kommt von der Energieversorgung über Lebensmittel bis hin zu dringend benötigten Ersatzteilen oder Medikamenten nichts bei den Unternehmen an.3

Containerstaus sorgen für Verspätungen in der Lieferkette

In der Logistik ist die Lieferkette ein Netzwerk von Verkehrsträgern und Transportmitteln, das den ununterbrochenen Transport von Waren vom Ausgangsort zum Zielort gewährleistet. Kommt es zu Störungen, Unterbrechungen oder gar einem Lieferketten-Kollaps löst das eine Kettenreaktion in der gesamten Logistik Wertschöpfungskette aus.

Das mussten wir alle in den vergangenen Jahren erfahren: Waren stauen sich auf Schiffen vor den Containerhäfen und die Lagerkapazitäten sowohl in den Häfen als auch bei den Speditionen sind am Limit. Denn, viele Güter müssen zwischengelagert werden, wenn es zu Verspätungen in einem Teil der Lieferkette kommt. Das wiederum führt zu einem verzögerten Weitertransport über die Schiene und Lkw ins Hinterland. In der Folge können sich Just-In-Time-Anlieferung zum Risiko entwickeln, da sich die Ware schon im Eingang verzögert.

Luftfrachtbranche verzeichnet starken Preisanstieg

Die Luftfrachtbranche4 hingegen bewegt sich in einem sehr wettbewerbsintensiven Preisumfeld mit gestiegenen Treibstoffpreisen und (Fracht-)Kapazitäten. Die Herausforderung hier ist es, ein Gleichgewicht zwischen lang- und kurzfristiger Kapazität in einem volatilen Marktumfeld zu bewältigen. Es gilt, die Wünsche der Verlader nach kurzfristigen Geschäften einerseits und die der Fluggesellschaften nach längeren Verträgen andererseits in Einklang zu bringen. Ein ständiges Thema ist zudem die Überlastung der Transportfahrzeuge für den Weitertransport ab den Frachtbereichen der Flughäfen.

Personalengpässe erhöhen Druck auf angespannte Lieferketten

Hinzu kommen die Personalengpässe in beiden Branchen, die sich auf die Zuverlässigkeit der Lieferzeiten auswirken. Es fehlt an Bodenpersonal für die Abwicklung der Luftfrachten, Flugzeugbesatzungen und Personal für Zustellfahrzeuge. Personalstreiks bei den Carriern, wie etwa bei der Deutschen Post oder den Hafenarbeitern, erhöhen zusätzlich den Druck auf die globalen Lieferketten und führen zu gestiegenen Preisen für alle Transportdienstleistungen.

Lieferketten, ein globaler Stresstest

Der Markt ist im Umbruch und bleibt sehr dynamisch. Unternehmen müssen weiterhin mit möglichen Kapazitätsengpässen und Preisschwankungen rechnen, auch wenn sich zuletzt die Transitzeiten auf vielen Transportstrecken wieder verbessert haben. Transportdienstleister und Spediteure müssen sich flexibel jeweiligen Marktbedingungen anpassen und verschiedene Lösungen prüfen, wie z.B. alternative Transportstrecken, Partnerschaften oder die Konsolidierung von Sendungen.

Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen auf die Lieferketten-Probleme reagieren?

Die Lieferketten-Probleme haben dazu geführt, dass Unternehmen sowohl ihre Geschäftsmodelle als auch ihre (Versand-)Prozesse innerhalb der Lieferketten kritisch überprüfen. So stehen in vielen Firmen die Geschäftsbeziehungen auf dem Prüfstand. Unternehmen überlegen, in welche Zielländer sie investieren und mit welchen Partnern sie zusammenarbeiten. Die Top-3-Gründe neue oder zusätzliche Lieferanten zu finden, sind Kostenoptimierung, die Risiko-Diversifizierung bei Ausfällen und der einfachere Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen.

Unternehmen setzen auf Diversifizierung von Lieferanten

Eine Überlegung von Unternehmen in der Schweiz (und in der EU) ist, sich neue Geschäftspartner in den westlichen Ländern oder Nachbarländern zu suchen. Das verringert die Abhängigkeit von Lieferanten u.a. aus dem weit entfernten China. Bei dem Ausbau der Produktionsstätten vor Ort, dem sogenannten „Nearshoring“ ersetzen kürzere Wege die unsicher gewordene Belieferung aus Übersee.

Insbesondere Beschaffer wollen Waren von Orten beziehen, die im Notfall auch über die Schiene oder das Straßenverkehrsnetz zu erreichen sind. Allerdings profitiert gerade die Schweiz im globalen Handel von China, seinem drittwichtigsten Handelspartner. Neben der Abhängigkeit von China steht der Wirtschaftsstandort Schweiz vor eigenen Herausforderungen wie u.a. hohen Energiekosten, dringend notwendige Investitionen in die Digitalisierung sowie anhaltender Fachkräftemangel in allen Branchen.

Höhere Lagerbestände verhindern Lieferengpässe

Die Lieferengpässe bei dringend benötigten Ersatzteilen und Waren haben in produzierenden Unternehmen zu einem erhöhten Auf- und Abbau von Lagerbeständen geführt. Eine Kehrtwende, denn bis vor ein paar Jahren hieß die Devise noch, Lagerbestände und damit verbundene Lagerhaltungskosten möglichst gering zu halten. Aufgrund der Erfahrungen verlassen sich viele Unternehmen nicht mehr allein auf Just-in-Time-Zulieferungen, sondern haben stattdessen ihre Lagerbestände ausgebaut und nehmen damit höhere Lagerhaltungskosten in Kauf.

KEP-Dienstleister schließen Versandlücken

Hinsichtlich Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit kommt KEP-Dienstleistern (DHL, FedEx, UPS u.v.m.) für die Stabilität der Lieferketten, insbesondere in Krisenzeiten, eine bedeutende Rolle zu. Statt wie zuvor große Volumina von A nach B zu versenden, kann es für Beschaffer in Unternehmen sinnvoll sein, kleinere Losgrößen per Paketversand auf den Weg zu bringen, um Lieferengpässen entgegenzuwirken. Aufgrund des Versandvolumens sind sie schneller und sichern zudem ihren Kunden garantierte Laufzeiten zu. Unternehmen können Waren mit einem Gewicht von 2kg – 70 kg als Paket versenden, was sich insbesondere für Muster- und Teillieferungen sowie für dringende benötigte Ersatzteile anbietet. So können etwaige Transportlücken innerhalb der Lieferkette geschlossen, Laufzeiten verringert und eine Just-In-Time-Anlieferung doch noch gesichert werden. Unterstützung und eine höhere Flexibilität kann hier eine B2B-Versandplattform bieten, die alle KEP-Dienstleister auf einen Blick anzeigt. Das ermöglicht Versendern, schnell alternative funktionierende Transportrouten zu identifizieren und gegebenenfalls flexibel umzubuchen.

Wie kann die digitale Transformation zur Sicherung der Wertschöpfungskette beitragen?

Wie erwähnt, können Unternehmen diversifizieren, indem sie neue Partnerschaften eingehen, ihre Produktion verlagern und ihre Lager- und Transportkapazitäten ausbauen, um weitere Engpässe bei Logistik und Lagerhaltung zu vermeiden. Gleichzeitig sollten sie jedoch auch in der Lage sein, selbst nachzusteuern, um zielgerichtet auf Ausfälle und Schwankungen reagieren zu können.

Transparenz in der Lieferkette erhöht Flexibilität

Für eine flexible Planung ist die transparente Zusammenarbeit entscheidend, um langfristig Kosten einzusparen, Ressourcen innerhalb des Unternehmens zu minimieren und um letztendlich in einem globalen Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür ist eine Digitalisierung der Lieferkette und aller damit verbundenen Prozesse im Transportmanagement, von der Beschaffung bis hin zum Versand für mehr Transparenz unerlässlich. Studien und Umfragen ergaben, dass viele Unternehmen beabsichtigen, ihre Investitionen in Technologie in den nächsten Jahren zu steigern. Mit Einzug der Digitalisierung lassen sich dann eine Vielzahl an Prozessen von der Planung der Frachtkapazitäten über die Angebotseinholung und Buchung bis hin zum Dokumenten-Management mit Blick auf Verzollung und Versicherung automatisiert erledigen. Außerdem kann so eine direkte Anbindung an das Transportmanagement des Logistik- oder Versanddienstleisters erfolgen.

Lieferketten-Probleme: Diversifizierung und Transparenz haben oberste Priorität

Zusammengefasst: Den Lieferketten-Problemen begegnen Unternehmen, je nach Branche und Möglichkeiten ganz unterschiedlich, doch in einem sind sich alle einig: Es müssen alternative Beschaffungs- und Distributionskonzepte gefunden werden, um Lieferketten-Probleme zu minimieren und Lieferketten resilienter zu machen.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass neben dem ökonomischen Aspekt der (Kosten-) Effizienz für Unternehmen andere Kriterien, die die Resilienz der Lieferketten erhöhen, immer wichtiger werden: die Auswahl und Kontrolle über die Zustellung, mehr Transparenz in Hinblick auf die Transportkosten und verlässliche Informationen zu (funktionierenden) Versandwegen. Mit Investitionen in die Diversifizierung der Zulieferer, der Produktion und der Transport- bzw. Versandpartner können zudem Kosteneinsparpotentiale frühzeitig erkannt und schnellere, flexiblere Entscheidungen in Unternehmen getroffen werden.

1) Capgemini Research Institute. Studie: Investitionen von Unternehmen 2023: Lieferketten und Technologie vorn, 16.01.2023

2) Eurostat. (8. September, 2023). Europäische Union: Importquoten in den Mitgliedstaaten im Jahr 2022

3) Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. (1. Juni, 2023). Importe in die Schweiz nach Warengruppen im Jahr 2022

4) Air Cargo News. Air cargo outlook: challenging market ahead, 06.022023